In unserem Wirbelsäulenzentrum werden jährlich ca. 2.000 Wirbelsäulenoperationen durchgeführt, darüber hinaus aber auch 10.000 Wirbelsäulenpatienten ambulant gesehen und behandelt.
Ein nicht unbeträchtlicher Anteil dieser Patienten haben Wirbelsäulendeformitäten, d. h. Skoliosen, Kyphosen oder auch eine Mischform derselben.
Oftmals handelt es sich hierbei nicht nur um verschleißbedingte Verformungen der Wirbelsäule, sondern um bereits seit der Jugend oder Kindheit vorhandene Skoliosen, die eben degenerativ dekompensieren. Die operative Behandlung dieser fortgeschritten deformierten Patienten, welche meistens der Schmerz zum Arzt führt, ist in der Regel aufwendig und auch nicht ohne Risiko.
Allein hieraus lässt sich ableiten wie wichtig es ist, Deformitäten schon früh im Jugend- oder ggf. Kindesalter zu behandeln.
Nicht immer ist das operative Vorgehen die Lösung, es sollte aber immer eine suffiziente Aufrichtung der verkrümmten Wirbelsäule angestrebt werden. Dies kann bei leichteren Krümmungen durchaus mit Korsett geschehen. Die Korsettversorgung ist deshalb auch fester Bestandteil unseres Behandlungskonzeptes. In der hiesigen orthopädischen Werkstatt besteht eine große, jahrzehntelange Erfahrung im Korsettbau. Aber auch die Physiotherapie hat ihren Stellenwert, zumal sie die Patienten lebenslang begleitet. Auch nach Operationen sind die Patienten angehalten etwas für ihre Rumpf- und Rückenmuskulatur zu tun.
Auch wenn es relativ klar definierte Kriterien gibt, wann und wie man operieren sollte, so ist gerade die operative Intervention im Kindesalter bei noch wachsendem Skelett schwierig. Die eigentliche Schwierigkeit ist nicht unbedingt das operative Vorgehen selbst, sondern den richtigen Zeitpunkt und die Art der operativen Intervention festzulegen. Die eigentliche Herausforderung bleibt somit die Indikationsstellung.
Moderne Implantatsysteme, wie magnetsteuerbare Teleskopstangen, funktionieren in der Regel nur eindimensional und zeigen wie andere Verfahren am wachsenden Skelett Tücken mit in der Regel unterschätztem Komplikationspotenzial.
Neben der zu bemängelnden Eindimensionalität und ungenügenden Verankerungspunkten dieser Instrumentarien werden auch oft die Folgen einer passageren Gelenkruhigstellung unterschätzt. Wie man vom kniegelenkübergreifenden
Fixateur bei Beinverlängerung weiß, bleibt das Knie nach halbjähriger Ruhigstellung steif. Diese Beobachtungen können durchaus auf alle anderen Gelenke des Körpers, also auch die Wirbelsäule, übertragen werden.
Allerdings sind diese Fälle insgesamt selten, dann aber in der Regel auch unproblematisch operativ behandelbar.
Die Kunst indes ist es, nicht zu früh zu operieren, die Wachstumsphase eventuell mit einer Korsettbehandlung zu überbrücken und dann nach Abschluss, oder zum Ende des Wachstums hin mit einer definitiven Operation zu korrigieren. Die Ergebnisse sind auch dann sehr gut, in der Regel besser als bei zu frühzeitiger inkompetenter Intervention.
Natürlich müssen wir uns auch in unserer Klinik mit sogenannten „early-onset“ Skoliosen beschäftigen und im Bedarfsfall auch frühzeitiger operativ vorgehen. Dies kann aber auch mit einem sogenannten „two-step-procedure“ geschehen, indem zunächst die Hauptkrümmung kurzstreckig von ventral versorgt wird und erst nach Wachstumsabschluss die definitive dorsale Korrektur erfolgt.
Die in unserem Hause vorgehaltene vordere Vorgehensweise zur Korrektur von Wirbelsäulendeformitäten birgt auch noch einige andere Vorteile. Einerseits die in der Regel kürzere Instrumentationsstrecke und auch der geringere Blutverlust, die geringere Gesamtmorbidität. Gerade aber kosmetische Problematiken wie ein Rippenbuckel oder ein Lendenwulst, können durch die ventrale Derotation sehr gut angegangen werden. Geschieht dies über einen minimalinvasiven Zugang mit einer Schnittlänge von 10-12 cm, ist das kosmetische Ergebnis hervorragend.
Nicht bei allen Skolioseformen ist dies möglich; wenn aber der Krümmungstyp dies zulässt entscheiden sich alle Patienten für die vordere Vorgehensweise.
Bei aller Begeisterung für die operative Kunst sollte man dennoch die Indikationen niemals leichtfertig stellen. Nur eine sorgfältige Abwägung und die individuelle Betrachtung des Einzelfalles in Kombination mit optimalen technischen und apparativen Voraussetzungen bringt gute Ergebnisse.